Meinungsforschung Arbeitgeberverband: Stimmungslage verkannt

Seit Jahren ist die Vertrauenserosion bezüglich Arbeitgebern und Managern nachgewiesen. Dies beispielsweise 2004 im Kontext der Meinungsforschung der SPRG zum Vertrauen der Bevölkerung in Institutionen und Leader. Dass Ängste vor Unbekanntem und Fremden nicht auf rationaler Ebene wegverargumentiert werden können, ist populärwissenschaftliches Allgemeingut und entspricht alltäglicher Lebenserfahrung – auch bei der Initiative zur Masseneinwanderung MEI.

Allein, der Präsident des Arbeitgeberverbandes ist erstaunt, dass „(die) Ängste desto grösser (sind), je weiter man sich von den Zentren wegbewegt und je weniger die Menschen mit den Auswirkungen der Zuwanderung im täglichen Leben konfrontiert sind“. Auch letzteres ist differenziert bekannt, beispielsweise aufgrund der Agglomerationsstudie des Beobachters (Ausgabe 7/ 2013). Wie anhand der MEI ersichtlich, zeigt die Meinungsforschung des Arbeitgeberverbandes geringe Sensibilität für die Stimmungslage der Bevölkerung.

Das „Wundern“ des Arbeitgeberpräsidenten hat System: Grundlage sind wenig professionelle, wenn nicht bewusst manipulierte Umfragen, welche während Jahren beispielsweise suggerierten, das Bankgeheimnis entspräche der Mehrheitsmeinung. Generelle Fehleinschätzungen zur Stimmung der Nation, wie zur Akzeptanz von Managersalären und zur Unternehmensbesteuerung entstehen deshalb, weil das eigene Rollenverständnis als Arbeitgeber und Unternehmer eklatant von der Sichtweise weiter Bevölkerungskreise abweicht. Dazu kommt, dass die Kommunikationsstrategien weder durchgängig noch themenspezifisch sind. Dabei greift weder die Boardroomsicht wie bei der Masseneinwanderungsinitiative, noch die Stammtischoptik des Gewerbeverbandes wie bei der Unternehmenssteuerreform.

Wenn sich Alt-Bundesrat Villiger dem abgehobenen Tun der Arbeitgeberverbände wie im Interview mit der NZZ entgegenstellt, wäre den betroffenen Akteuren vergleichbare Einsicht gewünscht – und zwar nicht erst nach dem Rückzug aus dem politischen Alltag.