MMT – Warum die Reichen eine Umsetzung der „Modern Monetary Theory“ fürchten – aber gar nicht zu fürchten brauchen

Linksliberale Politiker, namentlich in den USA der Senator Bernie Sanders (D) und die Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez (D), erschrecken die Reichen damit, dass sie auf dem Hintergrund der sogenannten „Modern Monetary Thorie“ (MMT) die Inflationsgefahr der gewaltig ansteigenden Staatsdefizite relativieren. Gerade die Inflationsfurcht der Reichen ist allerdings unbegründet, denn dadurch steigert sich der Wert ihrer Anlagen in Sachwerte ja erst recht. Tatsächlich ist Inflation unterdessen Realität und es stellt sich die Frage, ob dies die Folge der ungehemmten Ausgabenpolitik der Regierung Biden – wie generell der Regierungen der westlichen Welt – ist und wie weit dies eine tickende Zeitbombe für die Weltwirtschaft ist.

Zu fürchten haben wohlhabende Investoren als Folge der Geldschwemme einerseits das Platzen der Wertschriften- und Immobilienblasen, andererseits eine Rückführung der Geldschöpfungssouveränität vom privatwirtschaftlichen Bankensystem zum Staat. Damit verbunden wäre eine mittels staatlichen Kreditvorschriften verbundene Einschränkung der bisher nach privatwirtschaftlichen Kriterien vergebenen Kreditflut der Banken. Linksliberal gedacht müsste sich staatlich gelenkte Geldschöpfung an wohlstandsvermehrenden sozialen Zwecken orientieren und grenzüberschreitende Finanzflüsse regulieren, damit die Finanzierungspotentiale im Inland verbleiben. Auch die mit der Umsetzung von MMT verbundene stärkere Besteuerung wäre für die Reichen bedrohlich.

Ein Teil dieser Rahmenbedingungen staatlichen Handels ist erfüllt. Der Inflationsschub ist zwar tatsächlich eingetroffen, weil der Staat auch in den privaten Konsum investierte und wettbewerbsverzerrend Industrien subventioniert, jedoch auch „wohlstandsvermehrende“ ökologisch orientierte Infrastrukturprojekte fördert.  „Bidenomics“ scheint aufzugehen: Trotz des Inflationsschubes und der Zinserhöhungen hält sich die US-Wirtschaft aus einer Rezession hinaus. Martin Lück von BlackRock glaubt gar, dass wir – aus ökonomischer Sicht – auch in Europa „möglicherweise in der besten aller Welten gelandet“ sind. Dies, weil zwar die Inflationsgefahr hoch ist, wenn es an Gütern oder Investitionsvorhaben mangelt, indessen dieser Sachverhalt nicht zutriftt. Letztendlich reduziert die etwas steigende Basisinflation sogar die Schuldenberge, welche eigentlich die Ursache derselben sind. Die Katze beisst sich in den Schwanz!

MMT erscheint quasi als Fortsetzung der auf Picketty zurückgehenden Ungleichheitsdiskussion (mit drohenden Reichtums- und  Erbschaftssteuern) ergänzt mit einem neuen geldtheoretischen Ansatz. Dieser Ansatz postuliert, dass die Kreditvergabe nicht dem (privaten) Bankensektor überlassen werden könne, sondern durch den Staat, welcher über die Zentralbanken die Geldschöpfung auslöst, gesteuert werden müsse. Dies unter der Prämisse, dass Kredite für sozial nützliche Projekte nicht inflationsförderlich seien. Nachweis dazu beispielsweise die riesigen staatlichen Infrastrukturprojekte in den USA der Dreissigerjahre oder der Entwicklungsschub für den deutschen Osten im Umfang von ca 1 Milliarde (damals) Mark.

Die Publikation von Aaron Sahr „Die Monetäre Maschine“, München 2022, beleuchtet einerseits die aufgrund der privatwirtschaftlichen Kreditschwemme weiter zunehmende Ungleichheit sowie die Instabilität der quasi privatisierten Geldschöpfung, welche zu prozyklisch wirkenden Exzessen führt und antizyklische Rezessionsgefahren birgt.

Die Bilanzoptik der neuen Geldtheorie gemäss Sahr nimmt Abstand von der klassischen Tauschwerttheorie des Geldes. Es wird postuliert, dass Geldschöpfung wieder in den Hoheitsbereich des Staates gerückt werden soll, um dem neoliberalen Missbrauch der Geldschöpfung durch die Reichen entgegenzuhalten. Dass staatliche Geldschöpfung nur durch die Emission von Schulden möglich ist, erlaubt eine Sichtweise, welche den Staatsdefiziten die moralisierende Qualifikation nimmt.

Einer erfolgreichen Umsetzung der neuartigen Geldtheorie und dem wirtschaftspolitischen Ansatz von MMT steht allerdings die Komplexität der globalisierten, marktgetriebenen Wirtschafts- und Geldströme entgegen. Staatliche Steuerung wäre hier genauso überfordert wie andere Formen der Planwirtschaft. In Europa zeigt sich zudem, dass der länderübergreifende Euro-Währungsraum wegen der national geregelten Steuerpolitik ein erfolgreiches Zusammenspiel von staatlicher Geldschöpfung und damit verbundenem Steuersystem ausschliesst.

Dazu kommt, dass die politische Macht der reichen Eliten in der westlichen Welt, insbesondere jedoch die undemokratischen Oligarchien in den Ländern ausserhalb Europas, namentlich in China, eine gesellschaftspolitisch gerechte Umsetzung der MMT-Forderungen und dem Credo von Picketty verhindern. Die Furcht der Reichen ist also unbegründet.

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