Schwache Schweizer Produktivität – Nicht erklären können oder nicht wollen?

Studien im Auftrag des seco sollten erhellen, weshalb die Produktivität in der Schweiz im globalen Wettbewerb nicht mithält. Die Diskrepanz zum hohen BIP/ Kopf ist auffällig. Offensichtlich wird dieser hohe Output nicht durch besondere Leistungseffizienz, sondern mit überdurchschnittlichem quantitativen Input erzielt. In einer sozialwissenschaftlichen Optik könnten die Produktivitätsdefizite allerdings noch als gravierender erscheinen: Hypothese ist, dass es der Schweiz im globalem Wettbewerb immer wie weniger gut gelingt nicht-materielle Werte wie Nutzungs- und Servicequalität, Reputation, Einmaligkeit und Vertrauen in BIP-relevante materielle Werte, beispielsweise überdurchschnittlich hohe Kundenloyalität und damit verbundene überdurchschnittliche Preise, umzusetzen.

Dieser Umsetzungsprozess erfolgt entlang einer Wirkungskette, welche ihren Ursprung in der Arbeitsmotivation der Leistungserbringer hat. Der Mechanismus der sog. Harvard Service Profit-Chain erklärt dies. Wissenschaftlich valide und befragungstechnisch reliable Untersuchungsansätze sind in der Lage, die Ursachen tiefer Arbeitsmotivation und die Folgen im Hinblick auf Produktivität und Wertschöpfung aufzuzeigen. Dies ist allerdings aufwändig und die Resultate erzeugen i.d.R. seitens der Führungskräfte unerwünschten Handlungsdruck.

Eine sogenannte Bruggemann’sche Segmentanalyse zeigt, dass in der Schweiz die Gruppe der „Leistungsmotoren“ im Arbeitsmarkt auf einem Segmentsanteil von nur 20% verharrt. Neueste Forschungen zum Zusammenhang zwischen Motivation – Leistungsbereitschaft – Produktivität erklären, dass „Wettbewerbsbewusstsein“ und die Qualität der Führung, namentlich deren Fähigkeit zu Zielorientierung, entscheidend für die Leistungsbereitschaft sind. Das tiefe Motivationsniveau – und damit das Produktivitätsdefizit – ist demnach zuallererst ein Führungsproblem.

Hohe sog. Zufriedenheitswerte bei üblichen, merkmalsorientierten Mitarbeiterumfragen lassen dies nicht erkennen, weil sie nicht Motivation, sondern schlimmstenfalls Genügsamkeit und Resignation abbilden. Trotzdem sonnen sich Führungspersonen und die Auftragnehmer derartiger Befragungen an Messresultaten, welche zwar für die Schweiz typische hohe Werte von „Arbeitszufriedenheit“ im Bereich von 80% aufzeigen, jedoch wenig zur Leistungsbereitschaft erhellen. Im öffentlichen und parastaatlichen Sektor scheint dies besonders ausgeprägt. Das ist gravierend, weil deren steigende Anteile an der Wirtschaftsleistung die Produktivität und das BIP pro Kopf noch weiter drücken.

Produktivität_mehr als Ökonometrie_Blog_V3
NZZ 7.3.2018_S. 9_ Zuschriften
Leserbrief_Produktivität_2018-03-07

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  • Produktivität: Robot-assembly-line_www.freepik.com_932031

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